Es ist erschütternd: Im neuen Klimapaket der Bundesregierung sind nicht einfach „nur“ viele Maßnahmen unzureichend oder gar untauglich, sondern bei der Klimapolitik fehlt es von Grund auf. Weiß die Regierung nicht, was auf dem Spiel steht? Oder nimmt sie die Folgen billigend in Kauf? Für die kommenden Generationen ist beides gleichermaßen fatal.
Offiziell gibt die Bundesregierung an, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einhalten zu wollen. Leider handelt sie nicht entsprechend, sondern orientiert sich an ihren bisherigen unzulänglichen Zielen und Strategien. An keiner Stelle ihres Konzepts findet sich eine stringente Verknüpfung zwischen dem 1,5 Grad-Ziel, dem hierfür verbleibenden Restbudget an Treibhausgasen (THG), den bisherigen Emissionen und dem sich daraus ergebenden THG-Reduktionsbedarf. Obwohl der Kanzlerin und den übrigen Verhandlern sicherlich bekannt ist, dass wir die Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle sehr rasch und vollständig beenden müssten, vermeidet die Bundesregierung jede Aussage, die auf einen klaren Ausstieg aus Heizöl und Erdgas sowie Benzin und Diesel hinausläuft. Stattdessen stellt sie eine Fülle kleiner Förderprogramme in Aussicht, die neben den fossilen Energieträgern herlaufen, anstatt sie unmissverständlich abzulösen. Zudem werden zur „Schmerzlinderung“ teilweise kontraproduktive Maßnahmen wie die pauschale Anhebung der Pendlerpauschale vorgesehen. Das ist kein effektiver Schutz vor einer Klimaüberhitzung.
Dabei stehen zwei zentrale und einfache Strategien zur Verfügung:
- Ein Hochfahren und eine politische Festlegung von ehrgeizigen Ausbauzielen von dem, was uns hilft, nämlich Erneuerbare Energien (EE) und Energieeinsparungen
- Ein Beenden von dem, was uns schadet, nämlich Erdöl, Erdgas und Kohle:
- Festlegung von zeitnahen Terminen, ab dem die Verwendung von Heizöl und Erdgas in neuen sowie in bereits vorhandenen Heizungen und Fahrzeugen nicht mehr zulässig ist.
- finanzielle Belastung von fossilen Energieträgern in wirksamer und steigender Höhe
Und was beschließt die Große Koalition?
Zentraler Hebel im Klimapaket sollen CO2-Zertifikate in den Bereichen Wärme und Verkehr sein. Entscheidend für die Lenkungswirkung wäre ein spürbarer Einstiegspreis und ein verlässlicher, rascher und spürbarer Anstieg. Doch der Einstiegspreis für die CO2-Zertifikate soll laut Bundesregierung ab 2021 bei nur 10 Euro liegen und bis Ende 2025 auf 35 Euro ansteigen – das ist ein Bruchteil der realen Kosten von 180 Euro. Dies bedeutet, dass die Bundesregierung die fossilen Energien im Verkehrs- und Wärmesektor weiter im Markt halten will. Das ist eine bewusste Entscheidung gegen den Klimaschutz und für noch mehr Schäden an Leib und Leben, Hab und Gut – heute und erst recht in Zukunft.
Das neue Ziel der Großen Koalition lautet 65% Erneuerbare Energien im Stromsektor bis 2030 und ist damit auch das bisherige Ziel: es bleibt alles unverändert, obwohl alle Studien einen schnelleren Ausbau verlangen. Doch selbst Maßnahmen, wie das unzureichende 65%-Ziel erreicht werden soll sind rar bzw. werden gar nicht genannt: So müssten die Zubauziele insbesondere für die potentialstarken Energien Wind und Sonne stark angehoben – aber auch die Rahmenbedingungen für die wichtigen anderen Erneuerbaren Energien: Geothermie, Biomasse und Wasserkraft verbessert werden. Doch hier tut sich fast gar nichts. Im Gegenteil: Es werden politisch definierte Abstände zu Windrädern eingeführt, so dass die nutzbaren Flächen stark abnehmen. Damit ist klar: mit diesen Änderungen werden die Erneuerbaren Energien bei weitem nicht die 65%-Marke bis 2030 erreichen und Deutschland wird nach 2020 und 2025 auch 2030 die selbstgesteckten Klimaziele verfehlen.
Stattdessen sind Maßnahmen vorgesehen, die de facto zum Förderprogramm für Erdgas werden, z.B. das angekündigte Verbot für klassische Ölheizungen bei gleichzeitiger Betonung von „hybriden Heizungen“. Erdgas ist jedoch aufgrund seiner unvermeidbaren Methan-Leckagen keineswegs „sauberer“ als Erdöl, sondern darf ebenfalls nicht mehr verwendet werden.
So funktioniert Klimaschutz nur auf dem Papier und das Problem wird wieder vertagt. Jedes Jahr, das wir zögern oder die Bundesregierung verzögert, werden die notwendigen zukünftigen Anstrengungen immer größer, schwieriger und teurer, bis irgendwann Kipppunkte überschritten werden, die die weitere Veränderung des Erdklimas irreversibel machen.
Wir Vereine und Organisationen mit über siebentausend Mitgliedern im Landkreis Freising begleiten die Energiewende bereits seit mehreren Jahrzehnten. Bis 2010 konnten wir einen Willen zur Energiewende feststellen. Seit dem haben wir ein Jahrzehnt des Stillstandes, der Verzögerung und der Hindernisse erlebt. Aufgrund der immer dramatischeren wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel und daraus folgenden Warnungen muss die nationale aber auch die lokale Klimapolitik schnell auf eine ernsthafte Energiewende umschwenken.
Doch wer sich das Klimapaket der Bundesregierung genau ansieht stellt ein „Weiter so“ fest: es sind 66, zum großen Teil auch richtige Maßnahmen darin enthalten, aber die entscheidenden Hebel, die zum Erfolg führen würden, wurden ganz bewusst nicht angefasst oder sogar ausgeschlossen:
- CO2-Preise, die eine Lenkungswirkung entfalten
- Schneller und ausreichender Ausbau der Erneuerbaren Energien
Selbst die versprochene Rückerstattung der Einnahmen an die Bürger ist kläglich:
- Der Strompreis soll erstmals 2021 um 0,25 Ct/kWh gesenkt werden. Das bedeutet für den Durchschnittsbürger eine Strompreiserleichterung von 3,25 Euro pro Jahr – Dankeschön.
- Der Rest betrifft nur bestimmte Personengruppen: Pendler und Wohngeldbezieher.
So endet das Klimakonzept nach 22 Seiten in unfreiwilliger Komik: Die Bundesregierung hat wahrgenommen, dass sich immer mehr Bürger für Klimaschutz interessieren und einsetzen. Deswegen will sie eine Internetseite einrichten, auf der sich die Bürger informieren können, was diese für den Klimaschutz tun können. Sollten nicht vielleicht besser die Bürger eine Webseite einrichten, auf der sich die GroKo-Politiker informieren können, wie Klimaschutz funktioniert?
Echter Klimaschutz sieht anders aus. Mit den festgelegten Maßnahmen lassen sich die dringend erforderlichen Veränderungen nie und nimmer erreichen.
Eine Nachbesserung des Klimapakets ist daher zwingend erforderlich.
Die unterzeichnenden Vereine / Organisationen:
ADFC: Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club, Kreisgruppe Freising, Dr. Michael Stanglmaier
Agenda21-Projektgruppe Energie und Klimaschutz der Stadt Freising, Sepp Beck
Agenda21-Projektgruppe Bauen, Wohnen und Verkehr der Stadt Freising, Andreas Mehltretter
Aktionsbündnis AufgeMUCkt – Keine 3. Startbahn, Dr. Christian Magerl
Bund Naturschutz in Bayern e.V. – Kreisgruppe Freising, Wolfgang Willner
Bürger Energie Genossenschaft – Freisinger Land eG, Martin Hillebrand
Fridays4Future Freising
Hochschulgemeinde Freising, Dirk Berberich
Naturfreunde Freising e.V., Sepp Rohrer
Solarfreunde Moosburg e.V., Hans Stanglmair
Solarverband Bayern e.V., Andreas Henze
Sonnenkraft Freising e.V., Dr. Andreas Horn
Trägerkreis Mahnwache Klimagerechtigkeit, Freising, Ernst HörmannVCD: Verkehrs Club Deutschland, Kreisverband Freising, Alfred Schreiber